Polen-Reise-Bericht
Von ihrer einwöchigen Busreise nach Polen, organisiert von der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, ist jetzt eine Gruppe von 26 Personen nach Lüdinghausen zurückgekehrt. Vier Nächte verbrachten die Reisenden in einem Hotel der boomenden niederschlesischen Metropole Breslau, anschließend bezog man für drei Nächte Quartier im Hotel Court Park, direkt im Zentrum der Partnerstadt Nysa (Neisse) gelegen, mit der Lüdinghausen nun bereits seit 30 Jahren enge Verbindungen geknüpft hat.
Eine deutschsprachige Reiseführerin begleitete die Gruppe an zwei verschieden Tagen zu den beeindruckendsten Punkten Breslaus und gab historische Erläuterungen: Bei dem Besuch in der mit barocker Schnitzkunst prächtig ausgestatteten Aula Leopoldina der 1702 von Jesuiten gegründeten und nach dem österreichischen Kaiser Leopold I. benannten Breslauer Universität am Oder-Ufer ging es, wie an vielen Orten der Stadt, auch um ihre bis 1945 deutsche Geschichte. Und dann fand man sich In der Altstadt auf dem zentralen Großen Ring wieder, bestaunte die Architektur des gotischen Rathauses und die sorgfältig restaurierten Fassaden von Bürgerhäusern und traditionsreichen Restaurants. Ein Blickfang ist auch die große protestantische Elisabethkirche mit ihrem hohen Glockenturm, vor der heute auch ein Denkmal für den in Breslau geborenen evangelischen Pfarrer Dietrich Bonhoeffer steht. Auch über die Geschichte der Breslauer Juden erfuhren die Besucher einiges: Gottesdienste und Kulturveranstaltungen der jüdischen Gemeinde finden heute in einer neuen Synagoge statt. Viele Mitreisende ließen es sich auch nicht nehmen, am Abend dort das mitreißende Konzert einer Musikgruppe aus der Ukraine mitzuerleben.
Im Mittelpunkt des katholischen Lebens in Breslau stand und steht die im Stil der Backsteingotik errichtete St.-Johannes-Kathedrale auf der Dominsel, der historischen Keimzelle der Stadt, wo viele Cafés und Restaurants heute zum Verweilen einladen.
Wie viele Breslau-Besucher so sahen die Steverstädter sich auch das „Panorama Raclawicka“ an, ein 114 m langes 360°-Rundgemälde, das den Kampf polnischer Truppen gegen die russische Armee im Jahr 1794 mit all seinen Schrecknissen naturalistisch in Szene setzt. Es stammt ursprünglich aus dem damals polnischen, heute ukrainischen Lemberg. Und schließlich bewunderte man die gewaltigen Ausmaße der 1913 (100 Jahre nach der entscheidenden Leipziger „Völkerschlacht“ gegen Napoleon) errichteten „Jahrhunderthalle“ und sah sich im benachbarten Vier-Kuppel-Pavillon eine imposante Präsentation zeitgenössischer polnischer Kunst an.
Ein ganzer Tag war der Exkursion zu bedeutenden Denkmälern deutscher Geschichte in Niederschlesien gewidmet: Das im 14. Jahrhundert errichtete Schloss Fürstenstein (in der Nähe von Waldenburg) wurde mehrfach umgestaltet, bei der Besichtigung Renaissance und Barockzeit haben ihre Spuren hinterlassen. Dem Adelsgeschlecht von Hochberg-Pless diente das Schloss mit seinen weitläufigen Anlagen seit dem 18. Jahrhundert als Residenz. 1943 wurde es durch den NS-Staat beschlagnahmt (Organisation Todt), und es wurde unterhalb des Schlosses von Insassen des KZ Groß-Rosen ein 2 km langes Gangsystem errichtet, das höchsten Wehrmachts- und SS-Führern als Kommandozentrale dienen sollte.
In Schweidnitz gab es die schönste der drei schlesischen „Friedenskirchen“ zu besichtigen, mit einem beeindruckend gestalteten Innenraum. Die Möglichkeit ihrer Errichtung basierte auf einem „Zugeständnis“ der katholischen Landesherrschaft an die protestantische Bevölkerung, ein Ergebnis der Verhandlungen zum Westfälischen Frieden 1648: Die Kirche musste ganz aus Holz bestehen und durfte nur am Rande der Stadt gebaut werden.
In dem kleinen Dorf Kreisau, das die Gruppe dann aufsuchte, erwarb der preußische Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke nach dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg einen Gutshof als Alterssitz. Sein Urgroßneffe Helmuth James von Moltke war einer der führenden Köpfe des „Kreisauer Kreises“, einer NS-Widerstands-Gruppe, die sich ausführlich mit einer möglichen demokratischen Nachkriegsordnung nach Hitler auseinandersetzte. Die meisten von ihnen wurden nach dem gescheiterten Hitlerattentat hingerichtet. Nachdem in Berlin am 9.11.1989 die Mauer gefallen war, nahmen der erste frei gewählte polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki und Bundeskanzler Helmut Kohl in Kreisau an einer Versöhnungsmesse teil. Und im Jahr 1998 konnte dort die offizielle Eröffnung einer internationalen Jugendbegegnungsstätte gefeiert werden.
Auf dem Weg in die Lüdinghauser Partnerstadt Neisse machte die Reisegesellschaft kurz Station an dem Residenzschloss der schlesischen Piasten in Brieg und an der Jakobkirche in dem Dorf Mollwitz, wo Friedrich II. von Preußen im Jahr 1741 eine entscheidende Schlacht gegen sie österreichischen Habsburger gewonnen hat, woraufhin Schlesien preußisch wurde.
In Neisse wurde die Gruppe von alten Bekannten und Freunden der Städtepartnerschaft herzlich begrüßt. Regina Stajak, Angestellte der Stadtverwaltung und Sprecherin der „Freunde der Neisser Partnerstädte“, gab Unterstützung bei der Realisierung des weiteren Programms.
So fuhr die Gruppe etwa zum Schloss der niederländischen Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau, die nach ihrer Heirat mit dem Prinzen Albrecht von Preußen den Berliner Baumeister Karl- Friedrich Schinke beauftragt hatte, in Kamenz (Kreis Frankenstein) ein Schloss als ländliche Residenz zu errichten. Nach den Zerstörungen des Krieges stellen die gewaltigen Ausmaße im Innern und die weitläufigen Außenanlagen Restauratoren und Geldgeber immer noch vor riesige Aufgaben.
Ein weiterer Schwerpunkt war ein Abstecher in die Stadt Glatz – ausgerechnet am einzigen Regentag der Woche. Außerdem sah man die Basilika im alten Wallfahrtsort Wartha und besuchte auch noch die traditionsreiche Kurstadt Bad Altheide, die berühmt ist für ihre sauren Mineralquellen und wegen der großzügigen Kur- und Parkanlagen.
In Nysa gab es neben einem entspannten Rundgang durch eine an manchen Stellen deutlich aufgeräumte Stadt auch die Besichtigung der backsteingotischen Hallenkirche von St. Jakobus samt Schatzkammer. Auch der stellvertretende Bürgermeister Marek Rymarz ließ es sich nicht nehmen, die Gruppe zu begrüßen. Direktor Edward Halajko führte persönlich durch die stadthistorische Ausstellung im Museum. Vom Rathausturm schließlich konnten alle den Rundblick über die Stadt genießen. Die Silhouette der Stadt tat sich auch vor allen auf, als sie den Waldweg hin zu der Aussichtslaube gewandert waren, die wohl der spätromantische deutsche Dichter Joseph von Eichendorff oft aufgesucht haben dürfte. Ein Besuch am Grab des 1857 gestorbenen Poeten in der Neisser „Friedrichstadt“ durfte natürlich auch nicht fehlen. Ebenso wenig ein Besuch am Neisser See, wo am breiten Sandstrand ein sommerliches Treiben herrschte.
Derweil hatten die „Freunde der Neisser Partnerstädte“ im Restaurant „Stalowe Magnolie“ einen Begegnungsabend vorbereitet, bei dem ausgiebig miteinander geredet und ausgelassen gefeiert wurde.
Schon am 7. September reist eine Gruppe aus Lüdinghausen für drei Tage wieder nach Nysa, um dort die 30-jährige Partnerschaft zu feiern.
Fotos: © DPG Lüdinghausen