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Gedenkveranstaltung der DPG-Lüdinghausen zum 80. Jahrestag des Kriegsbeginns vor der Trauerhalle des Seppenrader Friedhofs und am Grab eines ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters

Erstellt von Karl-Heinz Kocar | | Rückblick

Am 1. September 2019 jährt sich zum 80. Male der Tag des Beginns des Zweiten Weltkriegs. Mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen und der zwischen Hitler und Stalin abgesprochenen vollständigen Okkupation des Landes begann alles.

Ab September 1939 hatte Polen eine verheerende mehr als fünfjährige Zeit der Besatzung durch Nazi-Deutschland im Westen und Stalins Sowjetarmee im Osten zu ertragen. Heute Abend wird auf ARTE dokumentiert, dass der Zweite Weltkrieg bereits mit zahlreichen Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung begann. Deutsche Soldaten brannten im Herbst 1939 nicht nur polnische Dörfer nieder. Im sogenannten Polenfeldzug töteten Wehrmacht und SS Tausende von Zivilisten. Wie war es nur möglich, fragt der ARTE-Beitrag, dass durchschnittliche deutsche Männer bereit waren, in Polen zum Teil grausame Verbrechen zu begehen und warum haben sich nur wenige der mörderischen Politik der Nazis widersetzt? Für die TV-Dokumentation sind Tagebücher und Briefe ausgewertet worden. Und nicht erst nachdem die deutsche Wehrmacht im Juni 1941 auch die Sowjetunion angegriffen hatte, gab es Massenerschießungen hinter der Front sowie  systematische Tötungen durch das Gas in Konzentrationslagern. 

Gegen diesen vermeintlichen Triumph der Unmenschlichkeit setzte der evangelische Pfarrer Dietrich Bonhoeffer kurz vor Weihnachten 1944 im Angesicht des eigenen Todes ein Lied des unbedingten Gottvertrauens: „Von guten Mächten treu und still umgeben“.   

Ein Krieg hört mit dem Schweigen der Waffen nicht auf. Krieg hinterlässt tiefe Spuren im individuellen und kollektiven Gedächtnis. Die Erlebnisse wirken bei allen, die Krieg erfuhren, nach, bleiben lebenslang in Erinnerung, prägen das Verhalten und Denken der Kriegsgeneration und sogar nachfolgender Generationen.

 

Eine besondere Form der Demütigung war während des Krieges die Verschleppung von Männern und Frauen aus den eroberten Gebieten in das „Reich“, besonders aus Osteuropa. Sie galten der rassistischen Nazi-Ideologie als Angehörige eines sog. „Arbeitsvolkes“, das den vermeintlichen „Herrenmenschen“ zu dienen hatte. Die Verschleppten mussten in der Landwirtschaft oder in Industriebetrieben, insbesondere der deutschen Rüstungsindustrie, Zwangsarbeit verrichten. Auch auf Höfen in Lüdinghausen und Seppenrade waren einige von ihnen beschäftigt, wo sie nicht immer freundlich behandelt wurden.

Die Deutsch-Polnische Gesellschaft hat Sie eingeladen, heute auf dem Seppenrader Friedhof ein paar Minuten an dem Grab des polnischen Zwangsarbeiters Roman Dłużeń innezuhalten, neben dem auch die Gebeine von vier weiteren Landarbeitern aus Osteuropa ruhen, zwei namentlich „unbekannten“ polnischen und zwei russischen. Roman und ein russischer Landarbeiter haben sich hier in Seppenrade das Leben genommen. Andere sind laut Totenschein bereits während der Kriegszeit an Tuberkulose oder anderen bakteriell verursachten Krankheiten gestorben.

 

Dennoch haben nicht wenige die Zeit der Zwangsarbeit überlebt, sind nach Kriegsende als „displaced persons“ – wie es im Alliiertenjargon hieß - in Deutschland herumgeirrt oder sind mit einem Trauma in ihr Heimatland zurückgekehrt, wo sie oft sogleich als vermeintliche Nazi-„Kollaborateure“ hingerichtet wurden.

 

Heute Morgen konnte ich im ZDF einen Gottesdienst aus Frankfurt an der Oder erleben, aus der Ev. Friedenskirche, die direkt am Ufer des Flusses steht, also an der heutigen deutsch-polnischen Grenze. Es kamen Menschen zu Wort, die sich dem Brückenbauen zwischen Polen und Deutschland verschrieben haben. Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Ev. Kirche in Deutschland, hielt eine beeindruckende Predigt.

In ihren Briefen zum Jahrestag des Kriegsbeginns an den Bürgermeister von Nysa hatten Richard Borgmann und die DPG gemeinsam dazu aufgerufen, am 1. September 2019 in Lüdinghausen und Nysa  „Lichter anzuzünden“, die auch ausdrücken sollen, dass in den Beziehungen zwischen den Menschen beider Partnerstädte mittlerweile das Helle über die Dunkelheit der bitteren geschichtlichen Erfahrungen gesiegt hat.  Dazu sind wir jetzt hier!  

Lasst uns heute besonders denken an Völker, die Krieg gegeneinander geführt haben oder gegenwärtig führen, an Menschen, die Opfer rassistischer Sprüche oder Gewalttaten wurden oder werden, an Menschen, die heute zu Sklaven gemacht und ausgebeutet werden.

Lasst uns aber auch an uns denken und unseren oft unachtsamen Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen!   

Text ©: DPG Lüdinghausen
Fotos ©: DPG Lüdinghausen

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